Im frühen Sommer sollen nach einer langen Reise endlich die Gebühren für Roaming in der EU entfallen, dafür wurden nun angeblich besonders wichtige Schritte eingeleitet. Diesmal ging es darum, wie eine Regelung unter den Providern aussehen muss, denn die stellen sich in Zukunft die Nutzung fremder Kunden gegenseitig in Rechnung, statt diese Kosten direkt von den Kunden zu holen. Der heute verkündete Schritt wird als letztes Puzzleteil bezeichnet, damit die Gebühren wie geplant ab dem 15. Juni 2017 entfallen können. Wobei derartige Aussagen mit Vorsicht zu betrachten sind, die Provider haben nämlich längst neue Tricks auf Lager.
Für die gegenseitige Rechnungsstellung hat die EU nun Obergrenzen eingeführt, an die sich die Wettbewerber selbstredend halten müssen. Zum Beispiel: für einen Gigabyte Datenvolumen liegt die Obergrenze dann zunächst bei 7,70 Euro, ab 2018 bei 6 Euro, ab 2019 bei 4,50 Euro und „endet“ bei 2,50 Euro ab 2022. Diese Obergrenzen sollen weiterhin den Wettbewerb ermöglichen und zugleich kostendeckend sein.
Schon jetzt ist EU-Roaming in vielen deutschen Tarifen inbegriffen, meist allerdings beim mobilen Internet noch limitiert. Und ob sich das so schnell ändern wird, wage ich noch immer zu bezweifeln. Nur weil sich die Kostenabrechnung für die Provider ändert, werden daraus nicht automatisch attraktive Produkte für Endkunden entstehen. Im Gegenteil, die Provider haben uns schon jetzt einen Trick klammheimlich untergejubelt, um die Kosten eben doch niedrig zu halten.
„Roaming Flat“, „Flat Ausland“, „EU Flat“
Ob folgende Überlegungen und potenzielle Szenarien auch rechtlich möglich sind, kann ich persönlich nicht beurteilen. Bekannterweise wird aber in Deutschland schon seit Jahren darüber gestritten, ob Datenautomatik-Tarife und die Flat-Lügen nicht auch gegen Recht und Gesetz verstoßen. Lösungen und rechtskräftige Urteile, die den Kunden zugutekommen, gibt es bis heute nicht.
Meines Erachtens ergibt sich weiterhin eine Einschränkung für die Kunden. Zwar wird „verbrauchtes“ Datenvolumen im Ausland grundsätzlich nicht mehr je Megabyte beim Kunden abgerechnet, sondern ist in den Tarifen inklusive, doch eben nur beschränkt. Ein Beispiel: Im aktuellen Tarif BASE Pro mit 5 GB Datenvolumen ist zwar eine EU Roaming Flat inklusive, allerdings für das mobile Internet auf nur 1 GB beschränkt. Gleiches bei 1&1, O2 (nicht mehr unbedingt) und zahlreichen anderen Providern. Der meist als EU Flat beworbene Vertragsbestandteil ist also noch weniger Flat als mein ohnehin beschränkter Inlandstarif. Immerhin gibt es für Telefonie und SMS meist keine Beschränkungen mehr.
Aber wie verhindere ich als Provider, dass mein Kunde seinen Tarif – inbesondere das Kosten verursachende Internet – auch im Ausland voll ausnutzt? Genau, ich beschränke ihn im Kleingedruckten. Deutsche Provider sind bekanntlich sehr gut im Setzen von Grenzen, Donald Trump und Viktor Orban wären stolz. Zu Datenautomatik und ohnehin falschen Flats gesellen sich in Zukunft also auch noch begrenzte „Roaming-Flats“. Die Provider schützen sich somit selbst vor hohen Rechnungen anderer Provider, die aufgrund eurer Roaming-Nutzung entstehen würden.
Fußnote
Mir verkauft der Provider XYZ einen interessanten 5 GB Tarif, der natürlich auch eine super tolle EU-Flat inklusive hat. Für mich gibt es keine Extrakosten im Ausland. Gut. Aber für meinen Provider auch nicht. Der gutgläubige Kunde ist sich sicher, seinen neuen Tarif im Ausland uneingeschränkt wie in Deutschland nutzen zu können. Ein ausgiebiger 14 Tage Urlaub in Spanien mit ständigen Updates auf Facebook und Internet für mobile Arbeit? Kein Problem, denkt sich der Urlauber, der sich dank seiner EU-Flat gut aufgehoben fühlt. Doch statt 5 GB lässt sich im Ausland eben nur 1 GB nutzen, wird nebenbei im neuen Vertrag erwähnt.
Bundesnetzagentur: Darüber hinaus können Mobilfunkanbieter, die Roamingdienste anbieten, bestimmte nationale Tarife mit hohen Datenvolumina (sog. offene Datenpakete) für die Nutzung im europäischen Ausland begrenzen. (was auch immer „offenes Datenpaket“ bedeutet)
Haha, lacht sich der Provider ins Fäustchen. Der Urlauber hingegen ist verärgert, er hat nach sieben Tagen das inkludierte Gigabyte aufgebraucht und daher kein mobiles Internet mehr. Es sei denn, er bucht ein zusätzliches Datenpaket. Zack, zusätzliche Kosten doch wieder auf den Kunden abgewälzt, nur eben über einen anderen Weg. Neu ist dieser Weg aber nicht, bei Inlandstarifen kann man ja seit Jahren zusätzliche Datenpakte kostenpflichtig buchen und bei diversen Anbietern passiert das dank Datenautomatik sogar vollständig automatisch.
„Fair Use“ hätte man das früher genannt. Bei meinem Kabelanbieter wurde damals noch nach Gefühl gedrosselt. Hat der Kunde nach Ansicht des Kabelanbieters zu viel Datendurchsatz verursacht, wurde die Internetgeschwindigkeit bis zum neuen Abrechnungsmonat gedrosselt. Heute läuft das anders, Grenzen werden vorher festgelegt. So braucht es für das „kostenlose Roaming“ nicht mal mehr den ohnehin gescheiterten 90 Tage Plan der EU, damit sich die Provider selbst vor Kosten schützen können.
Bislang ist mir nicht bekannt, dass die eben beschriebenen Einschränkungen der Roaming Flats ab dem 15. Juni 2017 wegfallen müssen. Bislang ist dazu auch gegenüber den Providern nichts bekannt gegeben.
UPDATE: Laut Bundesnetzagentur ist geplant, dass die Nutzer ihren inländischen Tarif auch komplett so im Ausland nutzen können sollen. Ich bin ja mal gespannt, ob das dann wirklich der Fall sein wird. Inzwischen werden nämlich auch Tarife vertrieben, die grundsätzlich gar kein Roaming ermöglichen.
[via Tagesschau, EU /2, heise]