Nach ewig langer Wartezeit ist endlich ein OnePlus 6 bei mir eingetroffen, in den ersten Tagen habe ich das Android-Smartphone sehr intensiv getestet und will über meine Erfahrungen berichten. Leider waren wir erneut von einem Zoll-Problem betroffen, das Testgerät kam nicht pünktlich bei uns an und am Ende sogar mit herber Verspätung. Ist nicht zum ersten Mal bei OnePlus der Fall, das mit dem Zoll bekommt man wohl nie behoben. Wie auch „leichte“ Sicherheitsprobleme bei der Software, über die wir zuletzt berichten mussten.
Ich will auf OnePlus jetzt nicht rumhacken, nach über vier Jahren gibt es aber noch die ein oder andere lockere Schraube. Nun aber wollen wir zur Hardware kommen, das OnePlus 6 hatten wir mehrere Wochen vor der Präsentation in den Händen und jetzt eben wieder, seither konnte auf jeden Fall der etwas zu locker sitzende – nun rechts verbaute – Alert-Slider verbessert werden. Ansonsten ist dieses Gerät ein hervorragend verarbeitetes und stets angenehm in der Hand liegendes Smartphone.
Für Unverständnis sorgte der Wechsel auf Glas, wobei OnePlus bei allen drei Varianten einen durchaus besonderen Look kreieren konnte. Ich mag Glas, es liegt gut in der Hand. Die mangelnde Bruchsicherheit stört mich da weniger, ich plane nicht das Smartphone herunterzuwerfen. Hoffentlich. Dafür müssen wir aber mit einer erhöhten Anfälligkeit von Kratzern leben, insbesondere aufgrund des verbauten Gorilla Glass 5. Gern hätte ich mir die dritte Generation gewünscht, die kaum Kratzer zulässt.
Schnelles System, miese Gestensteuerung
Wer mit Fingerabdrücken klarkommt und der Haptik der Glasrückseite, der wird das OnePlus 6 definitiv lieben. Bei der Software ein ähnliches Fazit, Freunde von Stock-Android kommen auf ihre Kosten. OnePlus packt nur sehr wenige Zusatzfunktionen rein, macht dafür das System extrem schnell. Unfassbar. Dagegen wirkt ein vergleichbares Huawei P20 wie ein Traktor auf drei Rädern. Also wirklich. OnePlus kann mit dem Snapdragon 845 (min. 6 Gigabyte RAM) eine vermutlich nie dagewesene Systemgeschwindigkeit generieren.
Wie schon erwähnt, packt OnePlus nur ein bisschen Zusatzfunktionen in die Software. Zum Beispiel eine Gestensteuerung, die ich nach wenigen Minuten wieder deaktiviert habe. Insbesondere das Wischen vom unteren Bildschirmrand aus, das geht im Alltag nicht gut. Das Display ist zu groß und meine Finger zu klein, allein diese Kombination ist ungünstig, aber mein eigenes Problem. Ich finde allerdings die Gesten nicht sonderlich intuitiv, das kann Android P besser.
Beispiel: Man wischt zum Öffnen der App-Übersicht mittig von unten nach oben und hält kurz den Finger auf dem Display, was noch halbwegs okay so ist. Nur jetzt muss ich den Finger vom Display nehmen und erneut aufsetzen, um durch die App-Übersicht überhaupt scrollen zu können. Das ist nicht intuitiv und schon gar nicht schnell, daher nicht gut gelöst. Praktischer dürfte im Alltag eher die mögliche Doppelbelegung der Navigations-Tasten sein.
Nicht weniger unterschiedlich ist der Blick auf Kamera, Lautsprecher und Display. Während die Kamera grundsätzlich eine gute Figur macht, auch weil sie hardwareseitig zum Vorgänger nochmals verbessert wurde, kann insbesondere der Lautsprecher das Niveau nicht halten. Wieder gibt es nur einen einzigen Lautsprecher an der Unterseite, dieser klingt auch noch leblos und meist viel zu hell – in niedrigen Lautstärken wiederum dumpf.
Ein Glück wissen die Kamera und das Display deutlich mehr zu überzeugen. Für mich geht das verbaute AMOLED-Panel von Samsung mehr als nur in Ordnung, es bietet zwangsläufig ein perfektes Schwarz und sonst noch gute Farben, die maximale Helligkeit ist gut und übertrumpft das ein oder andere LCD meiner letzten Testgeräte. Über die Notch lässt sich streiten, sie spielt aber keine störende Rolle und kann per Software „ausgeblendet“ werden.
Kamera: Sie passt perfekt zum Paket. 519 Euro kostet das OnePlus 6 mindestens und die Kamera spiegelt das wider. Sie ist alles in allem gut, in Lebenslagen wie Low-Light sicher nicht auf höchstem Niveau, an „normalen“ Tagen aber definitiv sehenswert. Portraits mit Tiefeneffekt über die doppelte Hauptkamera sind nett anzusehen, der zweifache Zoom kann hin und wieder praktisch sein. Ich schieße in der Regal aus der Hüfte, der extrem schnelle Start der Kamera-App ist dafür umso praktischer, der flotte Autofokus auch.
- Bilder im schlechten Licht wirken schnell körnig bzw. im Detail matschig
- Frontkamera-Portraits mit Fehler bei Trennung von Vordergrund und Hintergrund
- Hauptkamera-Portraits manchmal leicht unscharf, dafür sehr gute Trennung von Vordergrund und Hintergrund
- Vorteile durch OIS bei normalen Fotos durchaus bemerkbar
- Farben werden gut wiedergegeben
- Zoom praktisch, qualitativ aber nicht 100 Prozent
Vorn verbaut OnePlus nur eine Frontkamera, die nun auch Portraits mit Bokeh erstellt. Allerdings ist die Software nicht so gut wie bei Google, das sieht man hier und da. Viel cooler ist Face Unlock über die Frontkamera, denn das ist RASEND SCHNELL – nur nicht super sicher. Power-Button drücken und das Gerät ist sofort entsperrt. Selbst bei tiefer Dunkelheit kann Face Unlock noch abliefern, bei 40 Zentimeter Abstand zum Gesicht versagt ein P20 von Huawei und das OnePlus 6 entsperrt noch immer schnell.
Was euch fehlen könnte
OnePlus verzichtet auf Wireless Charging, obwohl das Gerät nun dank Glasrückseite wie dafür geschaffen wäre. Ebenso gibt es keine IP-Zertifizierung, mit Wasser würden wir das OnePlus 6 also nur ungern in Berührung bringen. Versuchen braucht man auch gar nicht mehr als ein paar Daten und Strom über den USB zu befördern, der veraltete 2.0 Standard verhindert DisplayPort und ähnliche Zusätze. WiFiCalling und VoLTE sind in Deutschland auch noch nicht verfügbar.
Abschließend kann man nur sagen, dass das OnePlus 6 seinem Preis mehr als nur gerecht wird. Es ist eines der besten Android-Smartphones ab 500 Euro. Wer mehr zahlt, bekommt bei Samsung vielleicht das bessere Display, bei Google eine noch bessere Kamera und bei einigen Herstellern die IP-Zertifizierung sowie Stereo-Lautsprecher, doch vermutlich nur selten ein so stimmiges Gesamtpaket.
OnePlus vertreibt das eigene Flaggschiff nicht nur über den eigenen Shop, sondern auch seit dem vergangenen Jahr bei Amazon mit Prime.