Zwei Hersteller haben ihre Smartphone-Strategie umgedacht und sehr vergleichbare Android-Smartphones der Premium-Mittelklasse vorgestellt. LG das Velvet und OnePlus das Nord. Hierbei fällt außerdem auf, wie die beiden Hersteller jetzt wieder richtige Namen verwenden und nicht mehr nur Ziffern mit Buchstaben in kurzer Kombination. In meinen Augen ist das kein Zufall gewesen. Aber wer hat das richtige Paket für uns?
Beim Blick auf die Datenblätter fällt die Nähe zueinander auf, die stark unterschiedlichen Preise haben aber schnell erklärte Hintergründe. LG bietet zwei Lautsprecher an, die IP68-Zertifizierung verspricht Wasserdichtigkeit und kabellos aufladen konnte ich auch nur das LG-Smartphone. Im Bereich der Kamera wäre das OnePlus nur bei der Frontkamera vorn, die einen zweiten Ultra-Weitwinkel-Sensor besitzt.
LG Velvet: Datenblatt hat etwas mehr auf Lager
- 6,8 Zoll P-OLED Display, FHD+, 20.5:9
- Snapdragon 765-Chip, 8 GB RAM
- 128 GB Speicher, microSD-Slot
- 4300 mAh Akku, kabelloses Laden, USB-C
- 48 MP (F1.8) Kamera + Ultra-Weitwinkel + Tiefensensor
16 MP Frontkamera - IP68, Fingerabdrucksensor unter Glas, Stereo-Lautsprecher
- 5G, Wlan 6, Bluetooth 5.1, NFC
- 167.2 x 74.1 x 7.9 mm, 180 g
- Android-Betriebssystem mit Google-Apps
OnePlus Nord: Abstriche für besseren Preis
- 6,44 Zoll AMOLED Display, FHD+, 90 Hz, 20:9
- Qualcomm Snapdragon 765G, 8/12 GB RAM
- 128/256 GB Datenspeicher
- 4115 mAh Akku, 30 Watt Schnellladen, USB-C
- 48 MP Kamera (F1.75, OIS) + Ultra-Weitwinkel + Tiefensensor + Makro
32 MP Frontkamera + Ultra-Weitwinkel - Fingerabdrucksensor im Display, Face-Unlock, Alert-Slider
- 4G/5G, Wlan 6, Bluetooth 5.1, NFC (Google Pay)
- 158.3 x 73.3 x 8.2 mm, 184 g
- Android OS mit Google-Apps und Update-Garantie
Ein vermeintlich großes Defizit für das LG-Smartphone ist die Bildwiederholrate von 60 Hz. Obwohl das Velvet kein langsames Android-Smartphone ist, wirkt es im Vergleich zu 90 Hz-Geräten etwas behäbig. In der gefühlten Systemgeschwindigkeit hat das OnePlus-Smartphone die Nase vorn, obwohl es eigentlich nicht schneller als sein Konkurrent ist. Am deutlichsten sind die Unterschiede nur im direkten Vergleich. Muss man gesehen haben. Oder auch nicht, denn dann spielt es in der Entscheidungsfindung keine Rolle.
OnePlus wirkt schneller, hat aber Qualitätsprobleme
Bei den restlichen Faktoren rund um die Displays liegt das OnePlus Nord aus subjektiver Sicht nur vorn, weil es mit 6,44 Zoll deutlich kompakter ist und ich mit den Curved-Displays vieler Hersteller nichts anfangen kann. Dazu gehört nun mal auch das LG Velvet. Außerdem liegt es durch den sehr spitzzulaufenden Gehäuserahmen nicht so angenehm weich und sicher in der Hand. Die allgemeine Qualität der Displays ist jeweils sehr gut, LG bietet aber deutlich mehr maximale Helligkeit.
Anmerkung: OnePlus hat das Nord mit fehlerhaften Displays ausgeliefert, in manchen Fällen sieht man einen Farbverlauf. Bei mir ist bei dunklen Apps ein rotstichiger Farbverlauf sichtbar, die „Tint Issues“ sind auch bei Reddit und im OP Forum längst ein Thema. Das ist ein Minuspunkt, wenn es sich hierbei um ein allgemeines Problem der Qualität handelt. OnePlus hatte ähnliche Probleme schon beim OnePlus 8 (Pro).
Kameras: Marginale Unterschiede machen die Entscheidung schwer
48 MP löst die Hauptkamera beider Smartphones auf und trotz unterschiedlicher Software ist die Qualität relativ ähnlich. Beim tieferen Blick in die Fotos sieht man, dass OnePlus manchmal in den Details schwächer ist. Kanten, Schatten und Texturen wirken beim Velvet oft knackiger, schärfer, sauberer und verwaschen nicht so. Grundsätzlich fällt mir auf, dass die OnePlus-Software deutlich mehr Einfluss nimmt.
Negativ ist bei OnePlus außerdem die Dynamik. Fotos sind schnell zu dunkel oder viel zu hell. HDR kickt immer richtig, sorgt für viel Dramatik. Das richtige Maß fehlt der Kamera hin und wieder. LG ist allerdings nicht fein raus aus der Sache. Da kann es sein, dass das Velvet den Himmel einfach komplett weiß lässt und keine Details zeigt, dafür vergleichsweise dunkle Bereiche des selben Fotos mit deutlich mehr Details. Bei beiden ist Luft nach oben, das Velvet schlägt sich in in meinen Augen sichtbar realistischer.
Um auf den Punkt zu kommen: Im Verhältnis zum Preis sehe ich OnePlus hauchzart vorne. Zwar macht das Velvet die etwas besseren Fotos, aber leider nicht um 200 Euro bessere Fotos. Die Differenz beim Preis spiegelt sich nicht auf diesem Niveau wider.
Vergleichsfotos (LG links, OnePlus rechts):
PS: OnePlus verbaut eine dritte Kamera, doch der Makrosensor ist in meinen Augen witzlos und liefert eine schlechte Qualität. Im Ultra-Weitwinkel machen beide Smartphones ihren Job okay. Wie bereits erwähnt, ist Ultra-Weitwinkel für die Frontkamera (OnePlus) natürlich praktisch, klaut aber Displayfläche. Nachts sind die Aufnahmen beider Geräte in Ordnung. OnePlus bot manchmal mehr Helligkeit, nicht aber automatisch das bessere Foto.
Akkulaufzeit, Software und andere Dinge
Ganz klare Unterschiede haben die Geräte bei der Software, denn LG verändert das Erscheinungsbild von Android deutlich stärker. OnePlus-Software erinnert eher an Vanilla-Android mit leichten Anpassungen, die aber nicht so aufgezwungen wirken. Müsste ich nach der Optik gehen, hat LG klar verloren. Dafür gibt es andere Tweaks, die LG besser macht. Wie zum Beispiel die Schnelleinstellungen mit dem zweiten Wischer am unteren Bildschirmrand leichter erreichbar zu machen.
Beim Funktionsumfang sind sich heute alle Hersteller ähnlich. Hier und da gibt es Zusatzfunktionen, die Android von Haus aus nicht bieten würde, wie etwa das Klonen diverser Apps (WhatsApp, Facebook, etc.), Optimierungen für Spiele und einiges mehr. Mir ist aber nichts ins Auge gestochen, was ich für besonders praktisch erachtet habe. Hängt aber auch mit der individuellen Benutzung solcher Geräte zusammen.
LG bietet noch recht viel für die Kamera, wie ASMR-Videos und ähnliche Schnickschnack. Ich halte es da gerne simpel und kann auf solche Zusätze verzichten. Will ich irgendwas dergleichen haben, schaue ich im App-Store nach passenden Lösungen.
Aufladen wohl nur alle zwei Tage
Die Akkulaufzeit lässt bei beiden Geräten nicht viel Raum für Beschwerden übrig. Mit jeweils über 4000 mAh sind die Akkus vernünftig groß, der des OnePlus ist mit 30 Watt Schnellladen dafür deutlich schneller wieder voll. LG hingegen bietet das kabellose Laden als kleines Extra, worauf ich zumindest an meinem Schreibtisch ungern wieder verzichten würde. In meinem Akkutest, ich lasse da für gewöhnlich YouTube laufen, probiere Spiele wie Asphalt 9 und Benchmarks aus, gab es absolut keine Überraschungen. Nach einem Tag hatte ich jeweils über 50 Prozent Akku übrig, das Velvet immer mit etwas mehr.
Zu den „anderen Dingen“, die für mich wichtig sind, zählen unter anderem die Lautsprecher. Davon bietet das Velvet zwei, das Nord hat nur einen. Wer für mich Gewinner dieser Disziplin ist, dürfte unschwer zu erraten sein. Ein weiterer Bonus des Velvet ist der Klinkenanschluss, auch wenn er mir persönlich egal ist. OnePlus hat dafür mit dem Alert-Slider ein Alleinstellungsmerkmal der Androidwelt, doch ich verstelle damit aus Versehen und viel zu oft die Klingeltoneinstellungen. Nervig.
Fazit: Ist der preisliche Unterschied erkennbar?
Auf den ersten Blick stellt sich die berechtigterweise die Frage, warum das Velvet direkt 200 Euro mehr kostet. Aber im Detail wird ersichtlich, dass das LG-Smartphone etwas mehr an Bord hat. Für mich ist das Curved-Display allerdings kein wünschenswertes Extra, das Wireless Charging und die Stereo-Lautsprecher nehme ich hingegen gerne mit. Dennoch habe ich im Alltag lieber zum OnePlus Nord gegriffen, das einfach viel besser in der Hand liegt und einem immer dieses „Lead with Speed“-Motto der 8er Serie vermittelt.
Ich sage euch, die Entscheidung wird nicht leichter, wenn dann auch noch Google in diesem Segment mitmischt. Aber umso mehr Auswahl haben wir dann zwischen 400 und 700 Euro, an grundsätzlich ähnlichen Android-Smartphones mit unterschiedlichen Stärken. Übrigens gibt es auch ein OnePlus Nord für 499 Euro, dafür erhalten wir 256 GB Speicher und 12 GB RAM. Beim LG Velvet sind keine andere Optionen verfügbar.
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