Huawei hat mal wieder sein Flaggschiff-Smartphone in zwei Varianten vorgestellt, nach dem P20 Pro haben wir jetzt auch das günstigere P20 getestet. Schon auf dem Datenblatt werden zum Teil deutliche Unterschiede sichtbar, das zeigt sich in einigen Bereichen allerdings besonders stark. Da liegt im Grunde auch das Problem, im Schatten des P20 Pro enttäuscht gerade die Kamera des kleineren Bruder in einigen wenigen Disziplinen. Und was ist eigentlich von den KI-Funktionen zu halten, die von Huawei gern beworben werden?
Nicht täuschen lassen
Das klingt jetzt natürlich erst mal ziemlich schlimm, wirkt aber manchmal nur im direkten Vergleich so. Grundsätzlich kann die Kamera nämlich eine gute Figur machen, im Alltag können klassische Schnappschüsse definitiv überzeugen. Nur das künstliche Bokeh, die 3D-Beleuchtungen oder auch die Master AI konnten im Alltag selten für ein positives Staunen sorgen. Inbesondere der KI Kamera-Assistant, der in der Werbung derzeit hoch und runtergebetet wird, nervt im Alltag mit einigen Schwächen.
Leider merkt man auch dem gefeierten Nacht-Modus an, dass er beim P20 eben nicht auf vergleichbare Hardware wie im P20 Pro zurückgreifen kann und daher sichtbar zu kämpfen hat. Zwar holt dieser Modus in bestimmten Fällen wirklich viel Licht aus den Gegebenheiten (Belichtung mehrere Sekunden!), macht quasi die Nacht zum Tag und das ohne Verwacklungen, hängt qualitativ aber deutlich hinterher. So richtig begeistert bin ich deshalb nicht. Von „perfekten Fotos auch bei Nacht“, würde ich daher nicht sprechen wollen.
Am Ende wird einem schnell klar, dass das P20 eben kein P20 Pro ist. Leider betrifft das inbesondere die Kamera. Mit dieser bin ich daher nur bedingt glücklich geworden, denn irgendwie erwartet man aufgrund des Hypes um den großen Bruder schon etwas mehr Wow. „Master AI“ aus, „3D Beleuchtungen“ ignorieren, dann kann man trotzdem glücklich werden.
- Ein Ordner mit Testfotos (ein bunter Mix)
Ich versuche stets Fotos wie ein ganz normaler Nutzer im Alltag zu schießen, das sollten die Ergebnisse widerspiegeln. Mit der App, die schon fast zu viele Funktionen bietet, bin ich dank guter Übersicht und schneller Arbeitsweise übrigens sehr zufrieden.
- Lowlight ohne Nacht-Modus geht so
- Nacht-Modus holt viel Licht bei „geht so“-Qualität
- Nacht-Modus gleicht Verwacklungen sehr gut aus
- Portrait-Effekte nur bedingt brauchbar
- Master AI übertreibt maßlos
- Gute Qualität bei allgemeiner Fotografie
- Übersichtliche und schnelle Kamera-App
Dem aktuellen Straßenpreis von knapp über 500 Euro wird die Kamera gerecht.
Edles Gehäuse ohne Identität
Ich wiederhole mich ungern, doch Huawei hat mit seiner P20-Serie eine eigene Identität aufgeben. Während die letzten P-Smartphones noch deutlich von der Konkurrenz zu unterscheiden waren, mindestens mal durch die optische Gestaltung der Hauptkamera, lassen sich die P20-Geräte nur schwer von anderen unterscheiden. Vorn allerdings schon, trotz Notch anhand des wiedermal hervorragend und blitzschnellen Fingerabdrucksensors. Nur sieht das nicht sonderlich gut aus, die vordere Ansicht wirkt dadurch etwas unruhig.
In der Hand wirkt der Mix aus Glas und Metall allerdings absolut hervorragend, das Gefühl in der Hand ist nochmals hochwertiger. Haptisch ist das Huawei P20 eine Klasse für sich, auch wenn es etwas dicklich und schwer wirkt. Eine weitere Besonderheit ist das nur 5,8 Zoll „kleine“ Display, damit gehört das P20 zur kompakteren Sorte. Im Alltag ist das Display eher besserer Durchschnitt, die maximale Helligkeit konnte überraschen.
Wie auch ein ebenso handelsüblicher Lautsprecher verbaut ist, der sich ganz alleine an der Unterseite des Gerätes wiederfindet. Puh, das geht doch besser! Der Sound klingt insgesamt etwas dumpf, was aber sicherlich nach ein paar Wochen schon gar nicht mehr auffällt. Es gibt sonst keinerlei Störfaktoren, die der Rede wert wären. Im P30 darf gern ein zweiter Lautsprecher stecken.
Es ginge noch schneller
Man merkt leider dem Huawei P20 an, dass es keinen aktuellen Prozessor hat. Natürlich ist der Kirin 970 der aktuellste SoC aus dem Hause Huawei, unterscheidet sich vom Vorgänger aber kaum und kann nicht immer mit der amerikanischen Konkurrenz Qualcomm schritthalten. Miese Nummer für Huawei: Das gleichzeitig bei mir befindliche OnePlus 6 wirkt einfach viel schneller und jede ausgeführte Aktion der Software „klebt“ an den Fingern, da hängt das P20 einfach hinterher. Trotzdem ist das Huawei-Smartphone alles in allem sehr schnell, es könnte aber halt einfach noch besser sein.
Weniger Überraschungen bietet der Akku, mit 3300 Milliamperestunden ist ausreichend an Kapazität vorhanden und das merke ich tagtäglich positiv. Lange Tage mit einer Ladung sind kein Problem, eher ein Problem ist das proprietäre Quick Charge-System mit eigenem Netzteil. Weniger bemerkbar macht sich der Datenspeicher, mit 128 Gigabyte ist reichlich vorhanden – mehr geht mangels microSD-Slot nicht. Auch sonst ist alles recht solide, das vorinstallierte Android wird durch EMUI noch immer optisch stark angepasst und mit vielen Funktionen erweitert, ein großer Fan bin ich davon nicht.
Vergessen aber jetzt nachgetragen: Face Unlock weiß zu überzeugen. Die Entsperrung ist extrem schnell und funktioniert selbst ohne Umgebungslicht überraschend gut. Über die Sicherheit will ich mal nichts sagen, angeblich ist das System auch durchaus mit einem Foto überlistbar. Die optionale Geste, dass das Smartphone beim Anheben automatisch angeht und sofort per Gesicht entsperrt, reagiert mir leider zu oft ungewollt.
Es ist nur der Pro-Bro
Mit viel Vorfreude habe ich das Huawei P20 erwartet, doch am Ende kann inbesondere die Kamera nicht immer mit dem Pro-Bruder mithalten und das enttäuscht etwas. Trotzdem ist das Huawei P20 ein wirklich gutes Android-Phone, das zum Zeitpunkt des Testberichtes schon so langsam aber sicher an der 500-Euro-Marke kratzt. Zu viel? Vielleicht, immerhin gibt es dafür auch ein Samsung Galaxy S9 oder eben ein OnePlus 6.
Huawei liefert ein gutes Android-Smartphone, das ich einem vergleichbaren OnePlus 6 allerdings nicht vorziehen würde. Um das Pro-Modell sieht es da besser aus, es ist und bleibt der Platzhirsch des chinesischen Herstellers.