Ich war einer der offensichtlich wenig Glücklichen, die sich vor ca. zwei Wochen ein Nexus 4 von LG und Google kaufen konnten. Wie ihr wisst, war der Verkauf nicht nur schlecht geplant, sondern ein absolutes Desaster aus Sicht der Kunden. Keine Vorbestellungen möglich, überlastete Server für die Bezahlung und offenbar auch viel zu wenig Geräte auf Lager. Zudem weiß man aktuell auch nicht, wann es überhaupt wieder neue Geräte geben wird. Aus diesem Grund hoffe ich doch, dass ich euch halbwegs gut meinen Eindruck vom bis dato wohl günstigsten Android-Flaggschiff übermitteln kann.
Für 299 Euro bekommt man ein Smartphone mit 4,7 Zoll HD-Display, Quad-Core-Prozessor von Qualcomm (Snapdragon S4) und 2GB RAM Arbeitsspeicher. Die Kamera auf der Rückseite löst 8 Megapixel auf und hat einen LED-Blitz dazu, Highlights sind sicherlich die drahtlose Ladefunktion und auch wieder der NFC-Chip. Natürlich kommt das neueste Nexus-Flaggschiff mit der aktuellsten Android-Version 4.2 (Jelly Bean) und hat keiner Drittanbieter-Software installiert.
Optik, Haptik und Display
Wie die Stammleser wissen, bin ich schon immer ein Fan von hochwertigen Designs und Materialien bei Smartphones sowie Tablets. Die Erwartungen an das neue Nexus-Smartphone waren allerdings aufgrund der letzten Jahre nicht so hoch, denn die beiden Samsung-Geräte waren bekannterweise aus Plastik gefertigt und fühlten sich dementsprechend auch an. Umso mehr gelungen ist das Design des Nexus 4, welches wieder eine zurückhaltende und recht nackte Frontseite bietet, allerdings eine umso auffälligere Rückseite. Man setzt hier auf Glanz und Glamour, ohne dabei den entstehenden Effekt zu kitschig wirken zu lassen. Insgesamt ist das Design in meinen Augen sehr gelungen, erwartet hätte ich von LG so etwas sowieso nicht, allerdings dürfte hier vor allem Google die Fäden in der Hand gehabt haben. Problem ist hier aber, dass die Rückseite sehr anfällig für Kratzer ist, ich habe davon bereits zahlreiche. Der Vorteil wiederum zeigt sich, dass man die Kratzer aufgrund des Pailetten-Musters nicht zu sehen sind, nur wenn man direkt danach sucht und dementsprechend das Licht darauf ausrichtet.
Auch die Haptik ist wirklich gut, da das Nexus 4 sich schon fast wie ein Unibody-Gerät anfühlt, sehr hochwertig durch die beiden verglasten Seiten, allerdings bietet es auch durch die den gummierten Rahmen auch einen guten Grip. Auch hier ist natürlich das „Problem“ vorhanden, dass das Nexus 4 eben ein sehr großes Gerät ist, es an der rechten und linken Seite allerdings etwas weniger Rahmen neben dem Display hat und daher sich etwas kompakter anfühlt, als beispielsweise ein HTC One X oder Nokia Lumia 920. Die gesamte Gehäuseform lässt es gut in der Hand liegen, wie es beim Vorgänger auch schon der Fall war, lediglich das Gewicht hätte ein paar Gramm niedriger sein dürfen. Abgeflachte Kanten und runde Ecken sind in meinen Augen besonders wichtig für die Haptik, was hier durchweg gelungen ist.
Kommen wir zu einem weiteren Highlight des Nexus 4, denn auch da kann ich leider nicht meckern. Man sucht zwar verzweifelt nach Kritikpunkten, um es nicht wie ein Test eines übermäßig erfreuten Fanboys aussehen zu lassen, doch auch das Display bietet dafür keinerlei Raum. Das Display liefert wie erwartet scharfe Bilder und in meinen Augen kräftige Farben, auch bei voller Helligkeit wirkt nichts verblasst. Selbst die Schwarzwerte sind sehr stark, hier kann nur AMOLED zwangsläufig besser aussehen. Die Betrachtungswinkel sind ebenso sehr groß, das One X machte hier aber einen leicht besseren Eindruck, wiederum hat das Display des Nexus 4 auch bei starker Sonneneinstrahlung keinerlei Probleme. Displays sind immer auch ein wenig Geschmackssache, denn so mag ich AMOLED gar nicht mehr, ich aber schon immer ein Fan von LG-Displays war. Die etwas höhere Auflösung von 1280 x 768 Pixel und nicht 720 Pixel in der Breite macht sich höchstens beim Surfen im Web im direkten Vergleich bemerkbar, sonst aber nicht, zumindest nicht offensichtlich. Der Helligkeitssensor arbeitet bei mir sehr gut und flott.
Software, Performance und Akku
Über die Software kann ich ja diesmal gar nicht so viel sagen, da ein Nexus-Gerät immer ohne Oberfläche eines Drittanbieters daher kommt. Dennoch gibt es mit dem Nexus 4 ja zugleich auch eine neue Android-Version, die aber so gar nicht zu überzeugen weiß. Derzeit sehe ich nur wenige Vorteile von Android 4.2, wie etwa die neuen Lockscreen-Widgets oder auch die überarbeite Kamera-App mit Photo Sphere (mehr dazu im Kamera-Absatz). Öfters nutze ich jetzt die integrierte Swipe-Tastatur, gerade für die einhändige Bedienung ist die praktisch, sie funktioniert sehr gut. Gefreut hatte ich mich eigentlich auch auf Dinge wie die Quick Settings, die aber nur mäßig umgesetzt wurden. So lässt sich WLAN nicht direkt darüber an- und ausschalten, Zugriff auf GPS hat man ganz vergessen und um in die Systemeinstellungen zu kommen bedarf es nun immer mindestens zwei Klicks. Praktisch ist die Akkuanzeige und der Schnellzugriff auf den Datenverbrauch.
Mir persönlich fehlt immer noch die Möglichkeit auch die LED-Benachrichtigungen von Apps vom System aus konfigurieren zu können, immerhin setzt man ja beim Nexus-Smartphone auf eine tolle LED. Auch in System-Apps wie Google Mail gibt es noch keine LED-Einstellungen. Bei den Lockscreen-Widgetes gibt es auch noch einen Haken, denn die Entwickler von Apps müssen die erst noch in ihre Apps hinzufügen, normale Homescreen-Widgetes können leider nicht auch auf dem Lockscreen genutzt werden.
>> detaillierter Bericht zu Android 4.2
Während die neuste Android-Version sich nur wenig vom Vorgänger unterscheidet, was nun nicht gleich schlecht ist, ist die Performance des Nexus 4 einfach himmlisch. Das Teil läuft richtig schnell, schneller noch als viele andere Geräte, alles passiert quasi „instant“. Anfangs hatte ich manchmal Probleme, dass das Gerät kurze Denkpausen für 1 – 3 Sekunden einlegte, das scheint aber plötzlich wie weggeblasen. Nur hier gibt es wieder einen kleinen Haken, denn der installierte Chrome-Browser ist nicht so schnell wie der eigentliche Android-Browser, man hätte dem Nutzer weiterhin die Wahl lassen müssen. Ansonsten kann man mit der Performance nur zufrieden sein, das Teil rennt wie kein Zweites, zumindest ist mir keines bekannt, was da mithalten kann.
Dumm nur, dass ein dicker HD-Screen und der tolle Quad-Core-Prozessor am Akku ziehen. Mächtig, sodass ich mit dem Nexus 4 nur halb so lange Laufzeiten hinbekommen als mit dem Motorola RAZR i. Obwohl ein 2100mAh Akku verbaut ist, komme ich auf maximal 24 Stunden Laufzeit bei 3 – 5 Stunden aktivem Display (je nach Nutzung und auch ob WLAN oder HSPA). Es ist leider wieder eines der Geräte, die definitiv keinen Arbeitstag durchhalten, wenn man viel unterwegs ist. Also versteht mich nicht falsch. Es ist toll, dass der Akku bei wenig Nutzung auch 24 Stunden Laufzeit ermöglicht, allerdings liegt das Teil bei mir hauptsächlich rum, ich nutze es eben innerhalb eines Tages nur 3 – 5 Stunden und telefoniere nur extrem selten. Wer unterwegs ist, viel das Gerät nutzen muss, der wird kaum zufrieden sein, geschweige denn ohne Steckdose den Tag überstehen. Sicher ist der Akku nicht so schlecht, wie einige Kollegen behaupteten, die noch Vorserienmodelle testeten, dennoch hätte ich hier schon mehr erwartet.
Kamera und Sound
Wo setzt man eigentlich an, wenn man das Nexus 4 mit anderen Geräten vergleichen will? Bei der Konkurrenz Galaxy S3 und One X, die selbst gebraucht teurer als das neue Nexus 4 sind oder beim Vorgänger Galaxy Nexus? Ein schwieriger Zwiespalt, den man aber bei der Kamera offenbar unbeabsichtigt fair gelöst hat. Denn die verbaute 8 Megapixel Kamera ist spürbar besser als die des Galaxy Nexus, welche ja bekannterweise grottenschlecht war, doch auf dem Niveau der Flaggschiff-Modelle der anderen Hersteller ist sie wiederum nicht. Die Qualität der Fotos und Videos ist okay, nicht schlecht und nicht besonders gut, irgendwo im Mittelmaß. Nervig sind eher der etwas langsame und nicht so gute Autofokus (auch Touchfokus möglich) und die manchmal total überlichteten Bilder, wenn man den integrierten Blitz mit benutzt. Ganz normale Fotos von einer Person, die etwa einen bis zwei Meter entfernt steht, sind bei schlechter Beleuchtung inklusive des Blitzes kaum möglich. Hier ist alles meist überbelichtet und Objekte strahlen weiß zurück.
Cool wiederum ist die neue Kamera-App, in welcher sich Einstellungen von jeder Stelle aus ändern lassen. Dafür muss man lediglich den Finger auf das Display gedrückt halten und kann nun zu der Funktion wischen, die man gern auswählen möchte. 360° Aufnahmen mit Photo Sphere (Beispiel) sind eine besonders tolle Spielerei, allerdings sind die Aufnahmen auch nicht immer perfekt, womit aber zu rechnen war. Die Kamera-App lässt sich gewohnt vom Lockscreen aus starten und ist recht flott offen. (RAR-Datei mit Beispielfotos)
Auch beim Sound konnte man im Vergleich zum Vorgänger klare Fortschritte machen. Der Lautsprecher hat nicht nur mehr Power, sondern klingt auch satter. Blöd ist aber, dass er sich recht leicht abdecken lässt und dann dadurch die Lautstärke sehr gedrückt wird. Ungünstig also, wenn das Teil auf dem Tisch liegt und der Wecker nur noch halb so laut ist, wie er eigentlich sein sollte. Ein Headset kann ich leider nicht testen, denn es gab keins. Auch wenn sich viele beschweren über meine Meinung dazu, man hätte trotz des Preises wenigstens irgendein ganz einfaches Headset dazulegen können.
Noch eine kleine Anmerkung zum verbauten Vibration. Diese ist echt schlecht, es vibriert viel zu leicht. Soll heißen, wenn das Nexus 4 auf dem Tisch liegt und etwa eine WhatsApp-Nachricht eingeht, merkt man das mit Sicherheit nicht nur die Vibration. Die ist einfach viel zu schwach, sodass ich auch ständig Anrufe verpasse.
Fazit: Günstiges Flaggschiff im edlen Kleid
Ja, beim Nexus 4 bin ich sicherlich nicht ganz objektiv, was das Design angeht. Während ich andere LG-Geräte in diesem Jahr schon als hässlich betiltete, dafür viel Kritik erntete, muss ich beim Nexus 4 definitiv sagen, dass es das schönste Gerät am Markt ist (neben dem iPhone 5). An anderen Stellen merkt man wiederum den günstigen Preis, da die Kamera nicht das bringt, was ich mir erhoffte, zudem man leider weniger Wert auf die Akkulaufzeit legte. Ich hätte mir also gern ein kompakteres Gerät mit mehr Akkulaufzeit gewünscht, dafür vielleicht auch etwas weniger Prozessor und mehr Datenspeicher. Schön ist wiederum, dass man 2GB RAM Arbeitsspeicher verbaute und Nexus 4-Käufer damit zumindest für die nächsten ein bis zwei Jahre gewappnet sein dürften.
Letztlich bietet das Nexus 4 ein atemberaubendes Preis-/Leitungsverhältnis. Ich hoffe, dass die Konkurrenz hier versuchen wird, mitzuziehen und die Neupreise von High-End-Smartphones dann etwas nach unten korrigiert.
[pros]
- Gute Verarbeitung, teils mutiges Design
- Scharfes Display mit guter Farbwiedergabe
- Leistung ohne Ende
[/pros]
[cons]
- Akkulaufzeit könnte besser sein
- Wenig Datenspeicher
- Rückseite sehr anfällig für Kratzer
[/cons]
[asa]B009DZJMES[/asa]